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Nachhaltigkeit

So gelingt die Zukunft

Franz Kühmayer

Trendforscher am Zukunftsinstitut
Foto: Franz Kühmayer, Zukunftsinstitut

2050 ist das Jahr, in dem die Welt das Ziel der Dekarbonisierung erreicht haben will: kein Öl, kein Gas und keine Kohle mehr – und dennoch Wohlstand. Schon ein kurzer Blick auf die Tragweite dieser künftigen Transformation offenbart, wie tiefschürfend der Wandel sein wird, welche Branchen davon betroffen sein werden und wie sehr sich unser Alltag und unser Konsum- verhalten bis dahin verändert haben werden. Und hier sprechen wir erst von einer der großen Transformationen, die uns bevorstehen – wissentlich, dass parallel dazu auch viele andere längst nicht mehr nur in den Startlöchern warten. Digitalisierung, Globalisierung, Biotechnologie, Demografie und weitere Fortschrittsthemen haben enorme Fahrt aufgenommen und münden in die ESG-Strategie.

Kann dieser vielschichtige Wandel tatsächlich gelingen? Noch dazu, so rasch, wie es nötig ist?

In diesen Fragen steckt eine Kernproblematik von Strategiearbeit: Wir denken von den aktuellen Problemen ausgehend, anstatt die Zukunft als grundsätzlich offenen Möglichkeitsraum zu sehen. Daher unterliegen wir auch häufigen Planungsfehlern, wie etwa dem Linearismus: die Zukunft als Variante der Gegenwart, sich bloß in Nuancen unterscheidend. Absatzzahlen wer- den über historische Wachstumsannahmen in die Zukunft projiziert, Budgetzahlen über Inflationsraten nach vorne gerechnet und Kund:innenverhalten wird über Produktversionen extrapoliert. Was dabei vollkommen ausgeblendet wird, sind sprunghafte Veränderungen, Disruptionen und Wandel, was einer völlig anderen Dynamik unterliegt.

Dabei zeigt uns der Alltag, dass die Welt alles andere als linear strukturiert ist. Nur knapp mehr als die Hälfte aller Unternehmen in Österreich werden älter als sieben Jahre; die gegenwärtig gefragtesten Berufe gab es vor zehn Jahren noch nicht, und es ist fraglich, ob es sie in zehn Jahren noch geben wird. Von den zehn wertvollsten Unter- nehmen im Jahr 1990 hat es nur ein einziges in die Rangliste des Jahres 2021 geschafft.

Disruption ist nicht die Ausnahme, sondern die Regel

Auf dem Prüfstand steht also nichts Geringeres als die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen – oder anders ausgedrückt: ihre Lernfähigkeit im Umgang mit radikalem Wandel. Für das Management geht es um die Planung einer Zukunft, die heute unvorstellbar erscheint; für Aufsichtsratsmitglieder um die Frage, wie man die Zukunft kontrollieren kann.

Die ESG-Agenda kann dazu wertvolle Orientierung stiften – wenn sie ernsthaft verfolgt wird 

Unter dem wachsenden Druck von Stakeholdern und Regulator:innen steigt zwar der Handlungsbedarf bei heimischen Unternehmen – aber gleichzeitig auch ihre Neigung zur Symbolpolitik. Dann wird eine Frauenquote genannt, ohne tatsächlich Diversity als Unternehmensgrundsatz zu leben; dann passiert Greenwashing statt echter Nachhaltigkeit; dann werden Feigenblattaktionen gesetzt, um sich nicht ernsthaft mit dem dringend notwendigen Wandel auseinander- setzen zu müssen.

Damit die Zukunft gelingt, braucht es also einen Perspektivenwechsel. Nur aus innerem Antrieb entsteht dauerhaft echter Mehrwert. 2050 wird eine neue Welt existieren und wir werden staunend zurückblicken. Es wird uns unglaublich erscheinen, wie wir noch im Jahr 2022 gelebt und gearbeitet haben. Wir werden aber auch überrascht feststellen, was uns in vergleichsweise kurzer Zeit gelungen ist.

Dieser Rückblick voller Staunen und konkreter Antworten muss das Ziel von Strategiearbeit sein. Vielleicht ist es daher sinnvoller, anstelle von Prognosen auf Regnosen zu setzen; nicht vom problembehafteten Heute in ein unmöglich erscheinendes Morgen hochzurechnen, sondern unsere Wahrnehmung und unsere Planung von Anfang an am gelungenen Morgen zu orientieren.

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