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Digital Workplace

Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Humorous mobile cloud computing conceptual image.
Humorous mobile cloud computing conceptual image.
iStock/gremlin

KI, VR, Augmented Reality, Wearables? Zukunftsforscher Tristan Horx erklärt, wie digital die Arbeitswelt von morgen wirklich aussehen wird und was für Unternehmen Sinn macht.

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Tristan Horx

Digitalisierungs-Experte im Zukunftsinstitut, Autor von »Generation Global« und Dozent an der SRH Hochschule Heidelberg. Mit »Treffpunkt Zukunft« kuratuert er einen Podcast für kritischen Zukunftsoptimismus. © Foto: Studio Kamenar

Wie sieht die digitalisierte Arbeitswelt von morgen aus?

Man darf nicht vergessen, dass die Arbeitswelt auch stark von analogen Diskussionen geprägt wird. Eine Zeit lang galt das „open creative office“ als das Nonplusultra. Das ist super, wenn man gemeinsam kreativ arbeitet. Wenn es aber um Konzentration geht, ist es hinderlich. Mittlerweile weiß man, dass Menschen im Home-Office bei solchen Tätigkeiten um 20 Prozent produktiver sind.

Die Frage nach der Zukunft der Arbeitswelt lässt sich also nicht so einfach beantworten. Wenn es einen generellen Trend gibt, dann den, dass sich Aufgaben und damit Arbeitswelten immer weiter ausdifferenzieren. Das macht es unmöglich, zu sagen, wie der ideale Arbeitsplatz aussehen wird. Gerade bei KMU ergeben sich Arbeitsteilungen und Aufgabengebiete oft organisch. Zukünftig wird es vor allem darum gehen, mit digitalen Technologien eine Basis zu schaffen, die es ermöglicht flexibel und effizient zu arbeiten: zwei Tage im Office, zwei zu Hause und einen Tag dann vielleicht im Transit.

Wie sieht denn diese technologische Veränderung konkret aus? Werden wir nur mehr mit VR-Brillen im Virtual Office herumlaufen?

Ich kann aus Erfahrung sagen: Länger als eine Stunde will man die Brille nicht tragen. Stellen Sie sich vor, Sie machen damit ein dreistündiges Meeting. Das ist einfach ein sensorischer Overload. Da wird man wahnsinnig. Man merkt auch, dass die Euphorie rund um VR deutlich abgekühlt ist. Es gibt aber natürlich sehr spezifische Anwendungen, wie etwa in der Chirurgie, wo das absolut Sinn macht.

Wo stößt das Digitale an seine Grenzen?

Es gibt einfach Meetings, die man analog machen sollte. Je höher die Komplexität eines Gesprächs, desto mehr bin ich auf zwischenmenschlichen Input angewiesen: Mimik, Gestik, Schweißausbrüche und so weiter. Um an schwierigen Fragestellungen arbeiten zu können, braucht man die kompletten 100 Prozent der Kommunikation und dafür muss man vor Ort sein.

Was verändert sich Führung?

Führungskräfte müssen erkennen, dass sie keine Fabrik mehr leiten, sondern Aufgaben und MitarbeiterInnen individuelle und differenzierte Profile haben. Das klingt vielleicht pathetisch, aber man muss das Individuum in seiner Rolle als solches annehmen und erkennen, dass MitarbeiterInnen nicht beliebig ersetzbar sind. Und das heißt, die Initiative von MitarbeiterInnen bottom up zu unterstützen – konkret etwa Weiterbildung zu forcieren. Das gilt vielleicht in geringerem Umfang für Großunternehmen, aber die Zukunft gehört ohnehin den KMU.

Wie sieht der Status quo der Digitalisierung in Österreich aus?

Die Unternehmen in Österreich sind etwas hinterher. Man sieht aber auch an der wirtschaftlichen Leistung, dass das gar nicht so schlimm ist. Die schlechte Nachricht ist, es ist fast unmöglich immer überall State-of-the-Art zu sein. Die gute: Man muss auch nicht. Wenn man ein bisschen hinten nach ist, hat man die Zeit sich anzuschauen, was sich bewährt und was nicht.

Was raten Sie Unternehmen, die gerade ihre Digitalisierungsprojekte starten?

Wer jetzt erst anfängt, ist schon hinten nach. Da macht es dann auch keinen Sinn, sofort mit hochkomplexen Projekten zu starten. Da ist es schon mal genug, den Rasen genauso hoch wie beim Nachbarn zu mähen. KMU sind hier gut beraten, Sachen auszulagern und sich professionelle Unterstützung zu holen, um einmal die Basis abzudecken. Natürlich will ein Technologie-Dienstleister möglichst viele Dienstleistungen verkaufen. Es ist aber ein Denkfehler, zu glauben, alles muss digitalisiert werden. Unternehmen sollten also gut überlegen, was sie digital abwickeln und was sie lieber analog belassen wollen.

Wenn Sie einen Tipp für Unternehmen hätten, was wäre das?

Hören Sie auf die Nerds! Dass sind die Menschen, die besonders nah an Technologien dran sind, aber auch oft die leiseste Stimme haben. Sie haben eine Affinität für Technologie und kennen das Unternehmen und darum oft eine Vorstellung davon, was für ein Unternehmen sinnvoll sein könnte.

Der nächste Artikel zeigt Ihnen, wie ein digitaler Arbeitsplatz Realität wird.

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