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Gesundheit

Stress im Beruf wird vergleichbar

Two businesspersons walking together and talking
Two businesspersons walking together and talking
iStock/pixelfit

Mag. Gernot Kampl und Mag. Cornelia Kastner vom Institut zur Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz (IEPB) erklären im Interview, wie Stressbelastung im Job jetzt vergleichbar wird und wie dies zu einer Win-Win-Situation für MitarbeiterInnen und Betriebe führt.

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Mag. Cornelia Kastner

Arbeitspsychologin, Klinische Psychologin; Gesellschafterin des Instituts zur Evaluierung psychologischer Belastungen am Arbeitsplatz GmbH

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Mag. Gernot Kampl, MA

Arbeitspsychologe, Geschäftsführer und Gesellschafter des Instituts zur Evaluierung psychischer Belastungenam Arbeitsplatz GmbH

Herr Kampl, sind eigentlich auch Sie als Arbeitspsychologe Burn-out-gefährdet?

Kampl: Die Frage ist durchaus berechtigt. Gerade wenn man, wie wir, beruflich sehr engagiert ist, ist das Burn-out Risiko hoch. Aber wir wissen uns aufgrund unserer Erfahrung doch ganz gut zu schützen (lacht).

Das Thema „Psychischer Arbeitsschutz“ hatte ja lange Zeit sehr geringe Akzeptanz in der Wirtschaft, es galt als sperrig und schwer erklärbar. Haben Sie als Fachexperten, die täglich damit befasst sind, das Gefühl, dass sich das gesellschaftliche Bewusstsein diesbezüglich in letzter Zeit verbessert hat? Immerhin finden sich Schlagworte wie „Stress“ und „Burn-out“ inzwischen sogar schon auf den Titelseiten der Zeitungen. 

Kampl:Die seit Jahren stark steigenden Krankheitszahlen aufgrund psychischer Fehlbelastung bei der Arbeit haben natürlich ein gewisses Problembewusstsein geschaffen. Doch woher diese Probleme kommen und was sie bedeuten, dazu fehlt den meisten Menschen schlichtweg der Bezug. Viele glauben immer noch, selbst wenn sie schon Krankheitssymptome zeigen, dass die eigenen Belastungen im Job normal sind und gewissermaßen zum Jobprofil gehören. Mehr noch: Wenn sie etwa aufgrund von Überlastung ihre Arbeit nicht mehr bewältigen, denken viele: „Bin ich selbst schuld, nicht tüchtig genug?“ Wie sollte man auch wissen, was im eigenen Job noch „normal“ ist? Deshalb wurde ein Thema von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite seit Jahren an uns herangetragen: der Wunsch nach „Klarheit“, nach Vergleichbarkeit für beruflichen Stress. Bildlich gesprochen könnte man sagen: der Wunsch nach einem Blick aus dem Fenster, den jede berufstätige Person jederzeit werfen kann, um zu sehen, wie es anderswo stressmäßig aussieht. 

Kastner: Wir haben diesen Wunsch in früheren Forschungs- und Entwicklungsprojekten schon aufgegriffen und eine innovative Tätigkeitstypologie entwickelt, die arbeitsbedingte psychische Belastungsschwerpunkte detailliert branchen- und unternehmensübergreifend vergleichbar macht. Genauer formuliert handelt es sich bei dem „Fenster“ also um wissenschaftlich erhobene Vergleichswerte für jobbezogenen Stress. Ziel unseres aktuellen Projekts ist es nun, diese tätigkeitsbezogenen Stress-Benchmarks für jedermann zugänglich zu machen!

Spannend. Was ist das für ein Projekt?

Kastner: „Stressbenchmarks.info“ ist im Prinzip ein Citizen-Science-Projekt. Wir haben in den letzten Jahren im Zuge unserer Arbeit eine Vielzahl an anonymen Daten zu psychischen Arbeitsbelastungen gesammelt und berechnen daraus jetzt Vergleichswerte für einzelne Jobtypen. Das machen wir für jede Branche in Österreich und diese Branchen-Benchmarks werden dann im Rahmen einer interaktiven Website kommuniziert – und zwar so, dass erstmals individuelle Belastungswerte passenden Vergleichswerten gegenübergestellt werden.

BesucherInnen der Website werden also die Möglichkeit haben, anonym, unkompliziert und kostenlos ihre ganz persönlichen Belastungswerte zu erheben und sie mit den Branchen-Benchmarks zu vergleichen. Als Citizen-Science-Projekt angelegt, werden die UserInnen zudem die Möglichkeit haben, sich über die laufende Weiterentwicklung der für sie relevanten Benchmarks informieren zu lassen. Sie können ihre individuellen Ergebnisse z.B. in sozialen Netzwerken teilen und sind eingeladen, ihre Daten anonymisiert für eine laufende Aktualisierung der wissenschaftlichen Datenbasis zur Verfügung zu stellen.

Kampl: Eines der aktuell gravierendsten Probleme unseres Gesundheitssystems, eben die Problematik der schädlichen psychischen Arbeitsbelastungen, soll so über ein niederschwelliges Onlinemedium für alle Beschäftigten veranschaulicht werden. Unser Ziel ist es, wie Cornelia beschreibt, Vergleichswerte aus ganz ähnlichen Jobs mit den eigenen Belastungen vergleichbar und damit interaktiv greifbar zu machen. So soll die abstrakte Thematik auch für Nicht-ExpertInnen erlebbar und vorstellbar werden. Ich bin überzeugt, dass das einen erheblichen gesellschaftlichen Nutzen haben wird, weil sich eben das Bewusstsein für gesundheitsgefährdenden Stress im Job verbessert.

Für wen gibt es solche Vergleichswerte? Ist die Website wirklich für alle ÖsterreicherInnen gedacht?

Kastner: Ja. Stressbenchmarks.info soll mittelfristig für alle Beschäftigten in Österreich Vergleichswerte bereitstellen – egal, ob Pfleger, Einzelhandelsangestellte oder Lastwagenfahrer. Wir wollen hier wirklich alle erwerbstätigen Menschen erreichen und in gewissem Maße auch „empowern“. Sie sollen zum Beispiel wissen, wenn andere Personen in vergleichbaren Jobs weniger stressbelastet sind, um bewusst für sich Entscheidungen treffen zu können. Genauso sollen aber etwa auch Betriebe erfahren können, wenn ihre Job-Rahmenbedingungen im Vergleich zum Mitbewerb wirklich top sind. Damit kann man in Zeiten des FacharbeiterInnenmangels und im vielzitierten „Kampf um die besten Köpfe“ sehr gut punkten. Ich spreche übrigens noch in der Zukunftsform. Der Launch von stressbenchmarks.info ist erst für Anfang September geplant, wenn die Urlaubssaison vorbei ist und alle wieder – hoffentlich – ausgeruht in den Job starten.

Kampl: Genau, und darf ich ergänzen: Auch Ein-Personen-Unternehmen bzw. Selbständige profitieren von dieser neuen Website, da auch diese Personengruppen erstmals einen Bezugsrahmen für ihre psychischen Arbeitsbelastungen erhalten. Das österreichische ArbeitnehmerInnenschutzgesetz gilt nämlich „nur“ für unselbständig Beschäftigte, nicht aber für Selbständige. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass bei Selbständigen die Handlungsfreiheit gegeben ist, gesundheitsgefährdende Fehlbelastungen zu vermeiden. In der Theorie stimmt das sicher. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass man sich Kunden- und Termindruck schnell auch über ein gesundes Maß hinaus zumutet. Stressbenchmarks.info ist hier ein sehr gutes Tool, die eigene Work-Live-Balance in den Fokus zu holen! Damit haben auch Menschen mit weniger Expertenwissen als ich und ohne psychologische Ausbildung die Möglichkeit, ein Burn-out-Risiko zu erkennen.


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