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Ottmar Hitzfeld

„Man muss lernen, loszulassen!“

© Fotos: GDI

Meistertrainer Ottmar Hitzfeld im Interview über seine größten Erfolge, tiefsten Niederlagen und wie es ihm gelungen ist, ein Burn-out zu besiegen.

Ottmar Hitzfeld

wurde während seiner Trainerkarriere zweimal Schweizer, siebenmal Deutscher Meister und führte außerdem zwei Mannschaften zu einem Champions League Titel.

Worauf blicken Sie mit besonders viel Stolz zurück? Was war Ihr größter Erfolg?

Mein größter Erfolg war, dass ich keine verbrannte Erde hinterlassen habe, sondern dass ich mein Team immer mit dem größtmöglichen Respekt geführt habe. Das wurde von der Vereinsleitung nicht immer gern gesehen. Aber bei meiner Führungsphilosophie steht der Mensch im Mittelpunkt.

Sie haben sich 2014 aus dem Spitzensport zurückgezogen – wie hat sich die Umstellung auf Ihre mentale Gesundheit ausgewirkt?

Es war immer mein Ziel, nicht zu lange am Sessel zu kleben. Rente war für mich im Kopf mit 65 Jahren so vorgesehen und das war im Nachhinein die beste Entscheidung, die ich treffen konnte. Man muss auch lernen, loszulassen. Jetzt habe ich die schönste Zeit meines Lebens.

Sie litten selbst an einem Burn-out. Wie hat sich dieser Zustand bei Ihnen bemerkbar gemacht?

Ich war von 1998 bis 2004 Trainer bei Bayern München. Die ersten drei Jahre waren wir jedes Jahr Meister, im fünften Jahr haben wir neben der Meisterschaft sogar die Champions League gewonnen und in den restlichen zwei Jahren sind wir auf dem zweiten Platz gelandet. Das hat unglaublich viel Kraft gekostet. Ich habe die Messlatte sehr hoch gelegt, wollte immer Meister werden. Ich wurde ein Opfer meines eigenen Erfolges. Man hat das auch von mir erwartet, somit ist auch der Druck gestiegen. Gegen Ende, 2004, war ich erschöpft. Ich habe zu der Zeit kaum Freude gefunden, mich isoliert und wollte nicht mehr mit Freunden Zeit verbringen. Man zieht sich zurück und braucht Kraft. Auch im Job hat sich das bemerkbar gemacht: Wenn wir gewonnen haben, hat das früher Euphorie und Adrenalin ausgelöst. Zu dieser Zeit dachte ich nur, zum Glück haben wir nicht verloren.‘ Ich hatte damals im Auto Platzangst und Panikattacken; musste das Fenster öffnen, um Luft zu bekommen. Dann habe ich einen Professor kontaktiert, der mit mir Gespräche geführt und mich medikamentös versorgt hat.

Reisen wir in die Vergangenheit – es ist 2003 und Sie holen mit Bayern den zweiten Meistertitel. Was würden Sie sich selbst mitgeben, um keinen „Raubbau“ am eigenen Körper zu betreiben?

Ich würde mehr auf mich selbst und meine innere Stimme achten. Damals hätte ich aufhören müssen. Wenn man jünger ist, will man sich keine Schwäche eingestehen. Ich dachte einfach, der Druck ist durch die Erfolge größer. Aber es war ein nervlicher Verschleiß, den ich ignoriert habe. Und dann hatte ich nicht mehr die Kraft, um aufzuhören.

Als Trainer von Bayern München hat man ja auch einen riesigen Druck. Sind Sie sich sicher, dass Sie damals etwas hätten besser machen können?

Ich musste lernen, nein zu sagen, Interviewanfragen abzulehnen. Nicht zu viele Interviews zu geben, sich öfter zurückzuziehen. Als ich 2007 eineinhalb Jahre zu Bayern zurückging, war das ein Versuch für mich, erneut ins Trainergeschäft zurückzukehren. Die Bedingung war, dass ich meinen Job nur im Büro mache. Und wenn ich nach Hause komme, möchte ich mich abends nicht mehr für den nächsten Tag vorbereiten. Ich musste Arbeit und Freizeit trennen, das ist ein ganz wichtiger Schritt.

Wussten Ihre Arbeitgeber von Ihrem Burn-out?

Ich konnte mit meinem Arbeitgeber nicht darüber sprechen. Das war ein Fehler von mir. Ich hätte sagen sollen, dass ich nicht mehr kann. Aber ich hatte dazu keine Kraft. Wenn man so etwas zum ersten Mal erlebt, erkennt man die Symptome nicht. Wenn man jünger ist, überschätzt man sich selbst. In der heutigen Zeit ist es um einiges einfacher, weil man Fallbeispiele kennt und sich darüber informiert. Es kann jeden in jedem Beruf treffen.T

Das sind die wichtigsten Maßnahmen gegen Burn-out

Was tun, wenn man selbst unter den ersten Anzeichen von Burn-out leidet? Mit diesen fünf Tipps von Erfolgscoach Ottmar Hitzfeld können Sie gegensteuern.

– Das Gespräch suchen, ganz egal, ob mit dem Ehepartner, Freund oder Arbeitgeber, jedenfalls mit einer Vertrauensperson. Wichtig ist, sich in Verbindung zu setzen.
Ganz wichtig: Beruf und Freizeit trennen. Dabei sollte man strikt vorgehen. Sprich, zuhause keine Emails mehr beantworten und sich nicht mit der Arbeit beschäftigen, sich nicht auf den nächsten Tag vorbereiten. Sobald die Tür hinter dir zuhause ins Schloss fällt, wird abgeschaltet.
Regenerative Maßnahmen einführen. Beispielsweise Spazieren, Joggen oder in den Kraftraum gehen, also regelmäßig Sport treiben.
– Wie wäre es mit Wellness? Oft wirkt ein Ortswechsel Wunder. Zusätzlich sollte man generelle Mechanismen erlernen, die einem helfen, sich zu entspannen und zu genießen.
Kritische Selbstreflexion! Es hilft, sich selbst immer zu hinterfragen und einzugestehen, wenn man ein Problem hat. Ganz wichtig dabei ist, dies nicht derart aufzufassen, dass es sich um eine persönliche Niederlage oder Charakterschwäche handelt.

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